Pilgern: Der Zauber alter Wege

Wer kennt ihn nicht, den Beststeller von Hape Kerkeling „Ich bin dann mal weg.“ In Deutschland hat seit Buchveröffentlichung 2006 und spätestens seit dessen Verfilmung 2015 jeder zumindest schon einmal etwas vom Pilgern auf dem berühmten Jakobsweg in Spanien gehört.

Während Christen nach Rom, Jerusalem oder Santiago de Compostela pilgern, pilgern Muslime nach Mekka und Medina in Saudi-Arabien.

Das Ziel der Pilgerreise ist dabei häufig nebensächlich – Pilgern ist eine Reise zu sich selbst, auf der die „Seele laufen lernt“.

Pilgerreisen oder auch Weitwanderungen gibt es schon sehr sehr lange. Der erste Pilger war laut der Bibel Abraham, der Vater des Christentums, des Judentums und des Islams. Im weiteren Lauf der Geschichte pilgerten im Mittelalter viele Menschen um sich von den Sünden zu befreien. In der Reformationszeit nahm das Pilgern wiederum stark ab, da Martin Luther über das Pilgern spottete und es mit dem Ablasshandel verglich.

Inzwischen ist pilgern auf dem Jakobsweg so populär wie nie zuvor und ein Ende dieses Trends ist derzeit nicht abzusehen. Der Antrieb heutiger Pilger ist nicht immer religiöser Natur. Getrieben von Abenteuerlust, Freude an Natur und Kultur fremder Länder, der Sehnsucht nach Entschleunigung machen sich jedes Jahr über 300.000 Menschen aus aller Welt auf den Weg.

„Ich möchte den Jakobsweg gehen“ ist oft ein erster Impuls. Beschäftigt man sich anschließend intensiver mit dem Thema stellen viele mit Verwunderung fest: Es gibt gar nicht den einen Jakobsweg, sondern es gibt viele Jakobswege und auch nicht nur in Spanien. Mittlerweile spannt sich ein weites Netz an Pilgerwegen durch ganz Europa: Deutschland, Frankreich, Österreich, Schweiz und viele weitere Länder haben bekannte Pilgerstrecken.

Eine Pilgerreise kann von überall begonnen werden. Solange das Ziel Santiago de Compostela ist, ist egal von woher Sie kommen, jede Route ist ein Jakobsweg! Hauptziel der Jakobswallfahrt ist die Kathedrale von Santiago, wo die Gebeine des Apostels Jakob ruhen sollen. Der heilige Jakob ist in der katholischen Kirche der Patron der Pilger und wird meist mit Hut und Stab abgebildet. Die beliebtesten Jakobswege in Spanien sind der Camino Francés, der Caminho Portugues, der Camino del Norte (Küstenweg), der Camino Primitivo und die Via de la Plata.

Auf einer Pilgerreise läuft die Zeit anders, langsamer. Entscheidungen sind kaum zu treffen. Man muss nicht überlegen, was man macht, denn es ist klar: eine Etappe wandern. Und zwar immer der Jakobsmuschel oder den gelben Pfeilen nach. Auch über das Outfit muss man sich keine Gedanken machen, da die Auswahl sehr begrenzt ist. Somit sind die Tage klar strukturiert, und dadurch werden auch die Gedanken klar. Und ganz sicher ist es eine Weile richtig befreiend, nicht immer zwischen tausend Optionen und Alternativen wählen zu müssen. Im Rhythmus der eigenen Schritte erschließen sich dem Pilger Ausblicke, Landschaften und eigene Grenzen. Auf so einer Pilgerreise sammeln Sie viele Erfahrungen, treffen neue Menschen, erleben gute Gespräche, viel Gastlichkeit, gegenseitige Hilfsbereitschaft und lernen sich selbst ziemlich gut kennen.

Sie haben auch schon einmal überlegt auf einem Jakobsweg zu pilgern, dann denken Sie nicht so lange darüber nach, sondern machen Sie es einfach. Die Erfahrungen die Sie machen werden, sind unbezahlbar und wer einmal gepilgert ist, würde jederzeit wieder losziehen.

Muss es unbedingt der Jakobsweg in Spanien sein? Nein, gar nicht. Natürlich können Sie überall auf der Welt einfach von A nach B laufen und sicher haben viele andere Strecken denselben positiven Effekt auf Geist und Seele.

Aber der große Vorteil am spanischen Jakobsweg ist, dass das Netz an Herbergen sehr gut ausgebaut ist und dass viele Pilger unterwegs sind. Denn ohne die Albergues und Mitpilger ist das Erlebnis am Ende ein ganz anderes.

Also auf geht´s: Einfach immer Muschel oder gelben Pfeilen nach, ohne etwas Bestimmtes zu denken, ohne Erwartungen. Klingt nicht nur simpel, ist auch simpel.

Und am Ende werden Sie spüren, dass diesem uralten Camino ein ganz besonderer Zauber anhaftet!